ZDF dokumentiert den „schönsten Irrtum der Geschichte“

Es begann mit einem Kommunikationsfehler. Günter Schabowskis Ankündigung von der „sofortigen“ Maueröffnung“ trat eine Lawine los. Als am 9. November 1989 die Berliner Mauer plötzlich offen war, ohne jede Vorbereitung, war die Freude groß: Es flossen Tränen, und es floss Sekt, die Deutschen wurden in dieser Nacht zum „glücklichsten Volk der Welt“. Und es war wirklich Glück im Spiel, denn es fehlte nicht viel, und die Lage in der damaligen „Hauptstadt der DDR“ wäre eskaliert: Blutjunge Grenzsoldaten sahen sich am Brandenburger Tor mit euphorischen DDR-Bürgern konfrontiert, ihre Vorgesetzten versuchten verzweifelt, irgendeine klare Anweisung von oben zu erhalten, und im Kreml hatte niemand dieser historischen Zäsur, die das Ende des Sowjetimperiums einläutete, zugestimmt. Schlimmstenfalls wäre am 9. November 1989 ein „Dritter Weltkrieg“ möglich gewesen, urteilt der damalige Kreml-Chef Michail Gorbatschow im Rückblick.
Die ZDF-Dokumentation von Michael Funken, Carl-Ludwig Paeschke, Bärbel Schmidt- Sakic und Uli Weidenbach Der schönste Irrtum der Geschichte (ZDF, Dienstag, 27. Oktober 2009, 20.15 Uhr) zeichnet die entscheidenden Stunden dieser Nacht vom 9. auf den 10. November 1989 nach. Neben prominenten Akteuren wie Michail Gorbatschow und Helmut Kohl berichten viele Augenzeugen erstmals vor der Kamera von ihren Erlebnissen vor Ort, auf den Straßen des geteilten Berlin, und fügen dem bisherigen Wissen neue, überraschende Facetten hinzu. „Menschen haben vor uns ihre Personalausweise zerrissen, so viel Hass habe ich in Gesichtern gesehen, das ist nicht beschreibbar“, erinnert sich ein wehrpflichtiger DDR-Grenzsoldat, der am Brandenburger Tor die Mauer sichern musste: „Ich als Soldat hatte Angst vor dieser Menschenmasse.“
Der letzte DDR-Bürger, der an diesem 9. November gegen seinen Willen ausgebürgert und mittags nach Westberlin abgeschoben wurde, erlitt abends an der geöffneten Mauer einen Nervenzusammenbruch; der erste DDR-Bürger, der seinen Grenzübertritt an der Bornholmer Straße erzwang, jubelt noch heute über das Ende des verhassten Staates; der letzte politische Häftling in Hohenschönhausen hielt die Nachricht von der Maueröffnung für eine besonders perfide Falle der Stasi und ahnte nicht, dass sein Sohn zu dieser Zeit die Grenze überschritt.
Dass in dieser unvergesslichen Nacht viel Sekt floss, aber kein Blut, war ein großer Glücksfall, der die Beteiligten immer noch bewegt. Nach Jahrzehnten der Bevormundung, der Bespitzelung und des Eingesperrt-Seins wagten die Menschen diese „letzte Kraftprobe mit dem Regime“, wie ein damaliger Beobachter analysiert – und sie siegten! Die Mauer „ist nicht einfach so gefallen“, stellt Michail Gorbatschow das Unwort vom „Mauerfall“ richtig: „Sie wurde behauen, abgeklopft – und bestiegen.“

Quelle: ZDF